Die Johannes-Kapelle zu Bemerode im Jahre 2007, wenige Tage vor der Wiederkehr der Einweihung am 27. Oktober 1867 – also vor 140 Jahren.


Welche äußerlichen Gestaltungselemente sind heute noch vorhanden?(Hier auf dem Foto erkennbar z. B. die glasierten Dachpfannen.)

Hat die Turmuhr das gehalten, was man von ihr erwartet hat?(Beide Zeiger weisen auf die Zwölf, obwohl die Aufnahme in den Vormittagsstunden gemacht wurde.)

Gibt es über das Kleinod im Orte vielleicht sogar eine historische Abhandlung wie über die Wülferoder Kapelle, als Vorabversion zum Jahrestag und dann als Schlussfassung nach Abschluss der noch ausstehenden Renovierungsarbeiten? Lassen wir uns überraschen!

Drittes Festbüchlein.

----------------------------- Geschichte des Kirchspiels Kirchrode. -----------------------------

Zweites Heft, Geschichte von Bemerode und Umgegend enthaltend.

(Auszug) [Originalwiedergabe unter Verwendung eines anderen Schrifttyps und statt des Gesperrt- ein Fettdruck]

Bei Gelegenheit der Einweihung der neuen Johannis-Capelle zu Bemerode 1867

gemeinfaßlich erzählt vom Pastor Böttcher zu Kirchrode. ------------------------------------------------------------------------------------ Hannover 1867.

Schmorl u. von Seefeld.

§. 126. Der neue Capellenbau wird beschlossen und begonnen 1866. Mit den Bittschriften um einen Separat=Begräbnisplatz (welche eine große Anzahl der Einwohner in Bemerode an die geistliche Oberbehörde gerichtet) hatten sie gleichzeitig die Bitte um baldige Wiederherstellung der Capelle selber ausgesprochen. Die alte Capelle, nachdem sie ein halbes Jahrtausend (seit 1300) gestanden, war 1815 zum letzten Male gebraucht und 1825 niedergenommen. Schon um das Jahr 1848 war deren Wiederherstellung lebhaft betrieben, doch unter den damaligen Wirren unterblieben. Es hatte sich aber bei den damaligen Unterhandlungen schon herausgestellt, daß das Aerarium noch nicht soviel verwendbaren Vorrath hatte, um ein solides und schönes Gotteshaus herstellen zu können. Das Aerarium sollte nämlich nach einer weisen Anordnung der Oberbehörde 1500 Thlr. als Vorrath behalten, um die laufenden jährlichen Ausgaben und die vorkommenden Reparaturen zu decken und zur Ansammlung eines neuen Fonds. (Also dasselbe, was ich für unsere Kirche zweckmäßig halte!) Da nun aber die Herstellung eines Schulhauses noch weit dringlicher erschien, ich auch die Gemeinde mit Zuschüssen zu dem Capellenbau zu verschonen wünschte und endlich weil unerwartet der dringliche Wunsch nach einem Separat=Beerdigungsplatz dazwischen getreten war (dessen Erfüllung nicht unerhebliche Kosten verursachte), so schien es mir im Interesse der Gemeinde und eines soliden und schönen Baues zu liegen, abzuwarten, bis das Capellen=Aerarium erst die Summe von 4000 Thlr. flüssig hatte, welche der Bau einer neuen Capelle etwa kosten würde. Als nun dieser Zeitpunkt gekommen war, wurde der lang gehegte Plan in Angriff genommen und der Architekt Lüer in Hannover mit der Entwerfung eines Risses und Kostenanschlages beauftragt. Nachdem derselbe vom Capellen=Vorstande angenommen und der Gemeindeversammlung vorgelegt, auch vom Königl. Consistorio genehmigt war, wurde sofort der Bau im Frühling 1866 in Angriff genommen und zwar in der Art, daß die ganze Ausführung des Baues, dem Voranschlage gemäß, bis zur Ablieferung des Schlüssels, dem Architekt Lüer für die runde Summe von 4000 Thlr. übertragen wurde. – Da die Gemeinde die Hand= und Spanndienste leisten muß, so übernahm auch diese der Architekt Lüer für ein billiges Aversum. Der Bau wurde nunmehr in dem rein gothischen Style ausgeführt, und er hat nach dem allgemeinen Urtheil der Sachkenner, der Architekt Lüer ein, in allen seinen Theilen vollendetes, schönes Bauwerk hergestellt und durch Ausführung einzelner Stücke (welche über den Contract und Anschlag hinaus gingen, aber zur Zierde des schönen Gebäudes betrugen) sich im hohen Grade uneigennützig bewiesen. Ich darf diese ehrende Bemerkung hier um so weniger unterdrücken, da diese opferwillige Uneigennützigkeit sich nicht allein an erheblichen Gegenständen bewiesen hat, sondern auch von der Gemeinde allseitig dankbar anerkannt ist. So sind wir denn nun beim Jahre 1867 angelangt. Ich will jetzt noch eine Uebersicht der Einwohner und des Grundbesitzes und zum Schluß eine Beschreibung unserer neuen Capelle, wie sie jetzt vollendet dasteht, geben.

§. 129. Beschreibung der neuen Capelle, eingeweiht am 27. October 1867. Die Capelle zu Bemerode ist eine einschiffige, im Backstein=Rohbau ausgeführte gothische Kirche. Für 120 Sitzplätze berechnet, hat sie unten eine Quadratfläche von 750 Quadrat=Fuß, und zwar ist die Länge im Innern 36 Fuß, die Breite 24 Fuß. Eine gewölbte, acht Fuß breite Vorhalle führt in die, mit ansteigenden Kreuz=Gewölben überwölbte Capelle. Das Innere ist in drei Gewölbejoche getheilt, der Chor eine achteckige Anlage. Eine Treppe in der Vorhalle führt zu der acht Fuß breiten Empore (Prieche). Das Aeußere ist von rothen Backsteinen hergestellt, Fensterschrägen und Laibungen, sowie die an der Westseite sitzende Rose und die Strebepfeiler=Schrägen sind mit blau und grün glasirten Ziegeln belebt. Das Dach ist ebenfalls mit verschiedenfarbigen glasirten Dachpfannen gemustert. In dem thurmartigen westlichen Giebel befindet sich die Uhr*) und in einer gewölbten Oeffnung die herrliche Glocke. So einfach und geschmackvoll wie das Aeußere, ist auch das Innere. Die Wände sowie die Gewölbekappen sind gestützt, die Rippen der Gewölbe von profilirten rothen Backsteinen. Die am linken Chorpfeiler befindliche Kanzel ist von Sandstein, sowie die Schlußsteine der Gewölbe, die (in sinnreicher Weise die Dreieinigkeit vorstellend) mit den üblichen Zeichen, als: Hand Gottes, Kreuz und Taube bemalt sind. Der Schlußstein des Chorgewölbes über dem Altare stellt einen Schwan vor, der sein Herzblut für seine Kinder vergießt. Der Aufsatz auf dem Altare ist aus Eichenholz geschnitzt und polychromirt, er steht auf einem steinernen Unterbaue. Die herrliche Altar=Decke (Antipendium, Vorhang) ist von Händen Mindener Damen schön und reich gearbeitet, mit geschmackvollen Emblemen, und ist der Capelle geschenkt. Sämmtliches Holzwerk, als Stühle, Chorstühle, ist aus Tannenholz und Natur geblieben, mit einfachem Lack geschützt. Die Verglasung der Fenster ist Bleiverglasung. Das Bauwerk trägt im Innern wie im Aeußern einen, dem gothischen Style eigenen, wahren kirchlichen Charakter. Sämmtliche Constructionen liegen dem Beschauer offen vor Augen und machen deshalb einen, dem Ganzen vollständig entsprechenden würdevollen Eindruck.

*) Diese Uhr hat sich die Gemeinde erst jetzt angeschafft. Sie ist ein solider und doch schöner Bau des Thurmuhren=Fabrikanten und Hof=Lieferanten Dökel in Hannover, welcher auch sämmtliche Eisenbahn=Uhren liefert und beaufsichtigt und schon mehrere Gemeinden zu ihrer Zufriedenheit bediente. Das Uhrwerk (100 Thlr.) nebst Schlagwerk und Uhrgestell (12 Thlr.), sowie das Zeigerwerk (12 Thlr.) und Zifferblatt (6 Thlr.) und das Aufstellen kostet zusammen 136 Thlr. Alles ist ebenso elegant wie stark gearbeitet. Wir hoffen auf Jahrhunderte eine gute Uhr erworben zu haben.

§. 130. Beschreibung des Altars. Der Altar ist bekanntlich der heiligste Ort der Kirche, die Stätte, wo Gott unsichtbar thronet. Daher wird alles, was sich auf den eigentlichen „Gottesdienst“ bezieht, vom Geistlichen hier verrichtet, und vor demselben versammelt sich die anbetende Gemeinde. Dieser heilige Ort wird deshalb mit Recht ausgezeichnet. Der Altar in Bemerode steht in einer Nische besonders und ist ein Meisterstück. – Der Aufsatz desselben erhebt sich in gothischen Formen und Verzierungen, auf der Spitze ein Kreuz; zu beiden Seiten zwei kleine Thürmchen, gleichfalls mit Kreuzen, – die heilige Dreifaltigkeit andeutend. Oben sieht man die Allmachtshand Gottes, unter derselben Sonne, Mond und Sterne, die Schöpfung des Weltalls darstellend. Mos. 2, 1. Unter der Schöpfung sieht man die Erlösung: Christus am Kreuze. Mat. 20, 28. Jes. 53, 4 u. 5. An den vier Enden des Kreuzes stehen die vier bekannten Sinnbilder (Engel, Adler, Stier und Löwe), welche die vier Evangelisten andeuten. Unter dem Kreuze stehen die Mutter Jesu und der Jünger Johannes. Joh. 19, 26 u. 27. An dem Altar=Aufsatze befinden sich in halber Höhe zwei Arme, welche zwei Leuchter tragen und unten zwei Arme, welche gleichfalls zwei Leuchter tragen. Diese vier Leuchter deuten an, daß der Gekreuzigte das wahrhaftige Licht ist (Joh. Cap. 1, 9), welches alle Menschen erleuchten soll, in allen vier Gegenden der Welt. Der kostbare und schöne Altar=Vorhang ist roth (an das Blut Christi erinnernd), mit reicher Goldstickerei versehen: das Lamm mit der Siegesfahne zeigend, zu beiden Seiten das A und O: das habet zum Zeichen, daß das Lamm den Sieg errungen und der Anfang und das Ende unserer Seligkeit ist. Offenb. Cap. 5, 6 u. 22, 13. Diesen Vorhang (nach der Zeichnung des Architekten Lüer) hat ein geborener Bemeroder, jetzt in Minden, aus Dankbarkeit gegen Gott und zu dessen Ehre aus freiem Antriebe der Capelle geschenkt; seine vier Töchter haben die Stickerei selbst gefertigt. Mit dem kostbaren weißen Altarlaken und den vier Altarlichtern haben Bemeroder Frauen die heilige Stätte geschmückt. Die drei Fenster in der Altarnische sind mit dunkeln Vorhängen versehen, die durchfallenden Lichtstrahlen dämpfend, um für den Altar eine bessere Beleuchtung zu gewinnen; Bemeroder Jungfrauen haben diese Vorhänge verehrt. Gott wird sie segnen für das, was sie zu seiner Ehre thaten und gaben. ------------------------- „Und es geschah des Herrn Wort zu Salomo und sprach: Das sei das Haus, das Du bauest! wirst Du in meinen Satzungen wandeln und nach meinen Rechten thun, und alle meine Gebote halten, so will ich mein Wort mit Dir bestätigen und will wohnen unter den Kindern Israels und will mein Volk nicht verlassen!“ 1. B. d. Kön. Cap. 6, 11.